Carlo Alezio Razetti
Lebensdaten unbekannt, ab 1727 Geiger in Turin,
1763/64 folgte ihm Pugnani nach
Entstehungszeit: unbekannt
CD-Empfehlungen:
Marco Pedrona 2009
Stefano Montenari 2012
Schon der rhythmisch auffallende Beginn dieses Konzerts lässt aufhorchen, und dann die für ein Violinkonzert der damaligen Zeit ungewohnte f-moll-Tonart. Dabei weiss man vom Komponisten dieses Konzerts fast nichts, er soll am Hof von Turin, wo auch der damals berühmte Geiger Giovanni Battista Somis wirkte, die zweiten Geigen angeführt haben. Ein Konzert also zu Ehren aller zweiten Geiger, die auch mal zeigen wollen, dass sie Solo spielen können! Mehr weiss man aber von Carlo Alezio Razetti kaum, einer der vielen von damals, die in der Nachfolge von Vivaldi in Italien Violinkonzerte komponierten. Razettis einzig erhaltenes Konzert aber hat etwas Spezielles, das zum genaueren Hören einlädt.
Wie aber wissen wir von diesem Konzert? Seinen Erhalt und posthumen Ruhm verdankt es der Intuition eines Musikliebhabers aus Metz, Pierre Philibert de Blancheton (1697-1756), für den der Kopist Charles Estien alle Arten von Konzerten, Sonaten und Symphonien, die um 1730 komponiert wurden, neu kopierte. Diese Sammlung, die dem Pariser Konservatorium gestiftet wurde, gehört heute der Bibliothèque Nationale de France und ist eine Quelle von weiteren 50 damaligen Violinkonzerten, die sonst vergessen wären. Aber hören wir genauer hin:
Ein synkopierter Rhythmus im Streichorchester lässt gleich aufhorchen, die Orchestergeigen stürmen voran und erzählen von Leidenschaften, insistieren immer wieder auf diesem rhythmisch ungewohnten, fast etwas aggressiven Anfangsmotiv. Drei Ritornelli rahmen die zwei figurativen und etwas wild zu spielenden Violinsoli ein, das zentrale Ritornello bringt neue thematische Motive, aber zuletzt markiert das rhythmische Anfangsmotiv Präsenz, sich einprägend und in f-moll bohrend insistierend.
Der kurze Grave-Satz, ebenfalls in Moll, dieses Mal ist es c-Moll, schreitet beharrlich voran, die Geige durchschreitet dunklere Regionen, klagt und will gehört werden.
Dann aber swingt der Allegro-Satz als Gigue-Tanz voran, ebenfalls in dieser f-Moll-getrübten Stimmung, die auch etwas Aufrührerisches in sich hat. Noch ist es Musik für einen fürstlichen Hof, aber aufgeklärte, durchdachte und anfragende Musik.