Maddalena Laura Lombardini Sirmen
geboren 9. Dez. 1745 in Venedig
gestorben 18. Mai 1818
Erstdruck: 1773 London
CD-Empfehlung:
Piroska Vitárius 2006
Stefano Montanari 2012
Unter all den Menschen, die die sogenannte klassische Phase der Musikgeschichte in Italien vorbereitet haben, Männer wie Lotti, Pugnani, Giardini, Giornovichi u.a. sticht die damals berühmte Geigerin Maddalena Laura Lombardini Sirmen hervor. Sie hat selber Violinkonzerte komponiert und 1773 eine eigene Sammlung von 6 Violinkonzerten im Druck herausgegeben, Konzerte, die sie auf ihren Tourneen durch ganz Europa jeweils vorgestellt hat. Lombardini war zwar keine Waise, wurde aber wegen ihrem Talent jung vom erfolgreichen musikerzieherischen System der Venezianer Waisenhäuser aufgenommen und zur Geigerin, Sängerin, Cembalistin und Komponistin ausgebildet. Tartini nahm sie später als seine Schülerin an; überliefert ist ein Brief von Tartini an Lombardini über Bogen- ,Griff- und Trillertechnik des Geigenspiels. Um nicht als Nonne oder vertraglich lebenslang an Venedig gebunden zu bleiben, heiratete sie, und zwar den Geiger Lodovico Sirmen, selber auch Komponist. Nach einigen gemeinsamen Tourneen trennten sich die beiden wieder und Lombardini zog als Geigerin und Sängerin in Begleitung eines Priesters durch Europa. In Paris schrieb ein Kritiker über das ungewohnte Auftreten einer Frau als Geigerin: «Sie ist eine Muse, die die Lyra des Apoll schlägt, und zu ihrer außergewöhnlichen Begabung kommt noch ihre persönliche Anmut hinzu“ (Mercure de France Sept. 1768, S. 117f.). Durch die Entwicklung des modernen konkaven Geigenbogens, der sich mit dem Namen von François Xavier Tourte verbindet und der eine neue virtuose Bogentechnik ermöglichte, verschwand der alte Rundbogen und die alte Streicherkultur Tartinischer Prägung, die das Violinspiel Lombardini Sirmens gekennzeichnet hatte. Am Schluss starb sie verarmt wieder in Venedig. Sie traf in London auch den Mailänder Bach, Johann Christian Bach, aber Begegnungen mit Grössen wie ihre Zeitgenossen Mozart oder Haydn tauchen in deren oder ihrer Vita nicht auf, vielleicht einer der Gründe, warum sie von der Musikgeschichte vergessen ging.
Mit einem markanten Weckruf des über zwei Oktaven abstürzenden Orchesters beginnt der Satz, um dann gleich in eine rhythmisch beschwingte, galante Melodienfolge überzugehen. Das Orchestertutti besteht nicht nur aus Streichern, sondern es kommen zwei Hörner und zwei Oboen dazu. Die Satzstruktur entpuppt sich dagegen als traditionell, als Abfolge von 3 Tuttis und dazwischen 2 Solis, gleich wie bei Tartini. Noch zweimal im ersten Tutti kommt dieser abstürzende Orchester-Lauf dazwischen und unterbricht die verschiedenen gesanglichen Melodien. Eine erste Überraschung ist der Beginn des ersten Soloteils (die Solovioline spielte damals üblicherweise schon das Tutti mit), sie bringt nicht ein Thema aus dem Tutti, sondern ein neues lebendiges eigenes Motiv. Auch sie singt sich in die Höhen der oberen Saiten der Geige hinauf, nicht ohne gleichzeitig Figurationen, Läufe und Triller zu präsentieren. Begleitet wird die Sologeige nur von den beiden Violinen (ohne Bläser oder Bässe), was der Geige zu einem leichten, fein untermalten Glanz verhilft. Das zweite Tutti des Orchesters bringt wieder diesen Dualismus zwischen Orchesterabsturz und fast «mozärtlicher» Gesanglichkeit. Dann ist wieder Raum für den betörenden Klang der hohen Geige mit der schlichten Begleitung. Zum Ende eine Kadenz für die Geige und als abschliessendes kurzes Tutti: zweimal das abstürzende Motiv des Orchesters.
Gleichsam mit Seufzern beginnt das Orchester ein a-Moll-Adagio. Leidvoll setzt dann auch der Soloteil ein, die Geige stimmt ein trauriges, aber auch immer wieder tröstendes Lied an, einsam, wieder nur von den beiden Orchestergeigenstimmen begleitet. Erfahrungen von Einsamkeit, Traurigkeit, Leid und Trost verbinden die Komponistin über die Zeit mit uns Hörenden. Dann schliesst das Streichertutti diesen Satz in a-Moll ab. Ein Schluss in Traurigkeit.
Ein Rundtanz im 2/4tel-Takt und eine freudige Melodie, wieder in A-Dur, entreissen uns den trüben Gefühlen, zuerst im Tutti, dann als Solo der Geige. Tutti und Solo wechseln sich ab, hin und wieder stockt der Tanz, beim zweiten und dritten Soloeinsatz bringt die Geige neue Themen und lebt ihren neuen Mut, bzw. Übermut aus. Das volle Orchester bekräftigt immer wieder den erneuten Beginn des freudigen Rondotanzes. Eine Kadenz führt zu einem kurzen Abschluss und überlässt uns der Leichtigkeit des Seins.