Aron Babajanian
(auch Babadschanyan, armenisch: Առնո Բաբաջանյան)
geboren 22. Jan. 1921 in Yerevan
gestorben 15. Nov. 1983 in Moskau
Entstehungszeit:
1948/1949,
Uraufführung: 15. Nov. 1949 durch Leonid Kogan und das Leningrad Philharmonic Orchestra unter Y. Mravinsky
Aufnahmen auf Youtube:
Leonid Kogan 1949 (Uraufführung)
Villi Mokatsyan 1968
Samuel Ayrapetyan 2021
Dass die Musikkultur in Armenien eine wichtige Rolle für die Identität dieses kleinen Staates im Kaukasus spielte und spielt, ist bekannt. Eine Bevölkerung, die einen traumatischen Völkermord erlitten hat, lebt heute eingezwängt zwischen den Grossmächten Russland und Türkei und wird kriegerisch von Aserbaidschan bedroht. Leider ist ausser etwa der Musik von Katchaturian bei uns wenig bekannt, was das vielfältige kompositorische Schaffen Armeniens auch schon in der Sowjetzeit hervorbrachte. Dabei hatten viele armenische Komponisten damals beste Beziehungen zu den sowjetischen Musikgrössen Oistrach, Rostopovitch oder Shostakovitch. In solchem Umfeld ist unbedingt auch Arno Babajanian (sein Name wird auch als Babadschanian oder Babajanyan aus dem Armenischen übersetzt) zu erwähnen. Der virtuose Pianist und Komponist von Popsongs und Jazzstücken bis hin zu klassischen Werken und Musicals ist in seinem Heimatland nach wie vor ein Nationalheld. Sein Violinkonzert in a-moll steht ganz offensichtlich in der Tradition von Aram Khachaturians Violinkonzert d-moll, das 1940 entstanden ist. Noch hat es aber nicht die gleiche Bekanntheit erreicht, obwohl von den Melodien und der farbigen Orchesterbegleitung ebenfalls grosse Faszination ausgeht. Mir persönlich ist die Hauptmelodie des ersten Satzes lang in den Ohren nachgegangen, und jedes Mal freue ich mich auf die Weite dieser Melodie, die mich persönlich an die grossartige Gegend rund um den Sevansee denken lässt.
Hörbegleiter:
Nach zwei kurzen Begleittakten des Orchesters bringt die Sologeige gleich nach ihrem aufsteigenden Einstieg die Präsentation einer einprägsamen weitausholenden Melodie, absteigend von A zu G zu F, und geprägt von einer eingängigen rhythmischen Terz-Floskel. In der Weiterführung und Variation dieses Hauptthemas samt Floskel und mit wechselnder Orchesterbegleitung verwandelt sich diese Melodie in der Geige immer mehr in verzweifelte Anklage, und lässt beim mitfühlenden Hören an all das Leid der armenischen Geschichte denken. Klarinette und andere Instrumente spiegeln die einprägsame Floskel der Melodie im Orchester, aber unterbrechen den unbändigen Drive der Geige nicht. Erst als sich dieser Drive der Geige auf höchstem Tone erschöpft, kommen die Holzbläser samt Hörnerklang mit ihren Farben zum Zuge und führen über zum zweiten Thema, einer traurigen resignativen Melodie auf der G-Saite, welche in den Triolen-Vorschlägen an die Floskeln das Anfangs erinnern. Erst langsam lichtet sich diese Melodie etwas auf. Die Geige steigt in höhere Stimmlage bis hinauf zu Flageolettklängen, die von feinen Orchestermotiven untermalt werden. In neuem Tempo und im Hin und Her mit dem Orchester führt die Geige in Richtung Durchführung, die mit der Erinnerung an das Hauptthema in einer As-moll-Wiederholung der Orchesterviolinen beginnt. Die Geige variiert diese Thematik und verwandelt sie in wilde, verzweifelte Geigenvirtuosität in allen Tonarten und Figurationen. Ein Meno-Mosso Motiv in der Geige verströmt Leidenschaft in Doppelgriffen. Nach einer erneuten kurzen Erschöpfungspause der Geige bringt das Orchester im Horn die Erinnerung an das zweite Thema, an welche die Sologeige anknüpft. Aus der Erweiterung dieses zweiten Themas entsteht die Überführung zur freien Geigenkadenz. Über Geigendoppelgriffen spielt das Orchester danach erneut die Melodie des Hauptthemas, auf dass sich diese wunderschöne Melodie auf immer den Hörenden einpräge. Dann übernimmt die Geige wieder und führt diese Melodie selbstbewusst weiter. Das Orchester meldet sich mit einem untertönigen Aufschlagsmotiv wieder und leitet über zur Reprise des zweiten Themas, dieses Mal in der hohen Tonlage der Geige. Orchester und Geige führen dieses Thema melodisch weiter. Ein Fagott mischt sich mit gleichem Motiv ein und treibt die Geige zu einem virtuosen selbstbewussten Schlusslauf, der wirkungsvoll und für den Geiger bzw. die Geigerin dankbar endet.
Das Orchester, angeführt von Englischhorn und Oboe, dann abgelöst von Bratschen und Klarinette, beginnt in dunkler Stimmung einen besinnlichen Gesang, den die Geige alsbald mit ihrer expressiven und wiederum von einer kleinen Terz geprägten Melodie ergänzt. Diese Melodie der Geige entwickelt sich in immer grössere Freiheit und Weite, das Orchester bleib mit seinem dunklen Gesang mit dabei. Die Stimmung des musikalischen Geschehens hellt sich mit der Zeit auf. Die Terz-Floskel bleibt präsent, insistierend in den Oktavgriffen der Geige. Im Orchester erklingt in den Bläsern weiter der ernste dunkle Gesang, der die Geige schliesslich auf ihrer G-Saite übernimmt, leicht verändert und in lichte Höhen führend, während das dunkle Motiv des Fagotts bis zum Schluss präsent bleibt.
Folkloristische Klänge gleich zu Beginn im Orchester, dann legt die Geige los und tanzt sich in wilde freudige Lebenslust. Das Orchester kann nicht anders, es wird mitgerissen, erfindet die farbigsten Begleitvarianten, bis die Geige das besinnliche und ruhig-zärtliche zweite Thema anstimmt, wieder von einer Terz-Floskel geprägt und von Holzbläsern rhythmisch begleitet. Rhapsodisch wird dieses Thema in alle Richtungen ausgeschöpft und erblüht in allen geigerischen Klangfarben. Dann übernimmt das Orchester kurz das zweite Thema. Die Stimmung beruhigt sich langsam. Als die Geige sich wieder in höchster Lage erschöpft, erinnert das Orchester in einem wilden Fugato an das Kaukasisch-Tänzerische. Die Geige steigt auch sofort darauf ein, geht es doch um ihr Hauptthema dieses Satzes, und tanzt sich in virtuose Doppelgriff-Passagen. Ein längeres vollklingendes Orchesterzwischen-spiel mit Fanfaren erlaubt es der Geige, etwas auszuruhen, um dann wieder mit vollem Elan ihre tänzerische Führungsrolle zu übernehmen. Eine folkloristische Orchestermelodie drängt sich vor und bestimmt das weitere Geschehen, die Geige übt sich in Begleitfiguren und erschöpft erreicht sie wieder ihren hohen Spitzenton. Mit neuer Kraft geht es dann auf einen höchst virtuosen und ausgedehnten Schluss zu, das Orchester trägt wirkungsvoll das Seine dazu bei.