Carlo Giorgio Garofalo: Concerto Ottocentesco (1927)

Carlo Giorgio Garofalo:

geboren 5. August 1886 in Rom

gestorben 6. April 1962 in Rom

 

 

Uraufführung:

1942 durch Remy Principe


 

CD-Aufnahme:

Sergei Stadler 1999

 


Carlo Giorgio Garofalo ist ein römischer Komponist und Zeitgenosse von Respighi, Pizzetti, Malipiero, Zandonai und Casella. Als ausgebildeter Organist komponierte er hauptsächlich geistliche Musik, die in den römischen Basiliken zur Aufführung kam. Seine Lebensstelle fand er später an der Orgel der Grossen Synagoge von Rom. Seine instrumentalen Kompositionen allerdings sind wenig bekannt. Andere Zeitgenossen beherrschten die Orchestersäle Italiens, obwohl Dirigenten wie Arturo Toscanini oder Arthur Nikitsch seine Musik, insbesondere seine romantische Sinfonie (1915) hoch einschätzten. Kriegszeiten, Kollegenneid (Respighi soll Garofalo gegenüber um seinen Ruf, als wichtigster Komponist seiner Zeit in Italien zu gelten, gebangt haben), Schicksal und Zeit überliessen seine Werke dem Vergessen.

Sein Violinkonzert entstand 1927. Uraufgeführt wurde das Konzert erst 1942 durch Remy Principe, einem Mitglied des Quartetto italiano. Dessen Schülerin war die grossartige Geigerin Gioconda De Vito, sie sollte das Konzert auch spielen, aber Principe wusste nicht mehr, wo die Noten von Garofalos Violinkonzert zu finden waren.

Ob der Name des Konzertes «Concerto Ottocentesco» wirklich ursprünglich von Garofalo selbst stammt, so trifft er doch inhaltlich auf Form Anspruch dieses Konzertes zu. Man kann sagen, dass es sich an den Konzerten des 19. Jahrhunderts, vor allem von Brahms und Bruch, orientiert. Doch darf man nicht vergessen, dieser Rückbezug ist nicht ungebrochen, kannte Garofalo doch sicherlich die Bemühungen des Neoklassizismus und dessen Auffassung, dass Musik «eine vom Individuum abgelöste, objektive Kunst (sei), die den Hörer bei klarem Bewusstsein lässt» (Jean Cocteau). In diesem Sinne vermied zum Beispiel Strawinsky die Ausdrucksmusik und wollte nichts anderes als Musik komponieren. Auch in Italien verbreitete sich dieses neoklassizistische Komponieren in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts bei Casella, Malipiero und andern. Dass ein romantisches Violinkonzert in Form und Stil des 19. Jahrhunderts auch neoklassizistisch gemeint sein könnte, ist beim Anhören von Garofalos Violinkonzert zu beachten, auch wenn der Violinpart anspruchsvoll ist - wie zu den Zeiten der sogenannten grossen sinfonischen Violinkonzerte.

 

Hier zu hören:

Satz 1
Satz 2    
Satz 3

Satz 1: Allegro moderato

 

Über einem zu Beginn leicht groovenden Bass bringt die Solovioline sogleich ein elegantes und kantables Thema. Nach mehreren virtuosen Anläufen überlässt die Violine dieses melodiöse Hauptthema dem Orchester für ein Zwischenspiel, bis sich die Geige wieder einmischt, um Motiveinheiten dieses melodiösen Themas zu verarbeiten und gleichzeitig ihre feinen Virtuosinnen-Fähigkeiten zu demonstrieren.

 

Es folgt ein zweites Thema, wieder eingeführt von der Geige, ebenfalls eine sehr gesangliche und verführerische Melodie. Diese italienisch geprägte Melodie, von einer Hornmelodie sekundiert, entfaltet sich in Oboe und Horn sowie in weiteren Bläsersoli, von solistischen Geigenfigurationen begleitet.

 

Ein energisches Eingreifen von Orchester und Geige dramatisiert das musikalische Geschehen und führt zur Durchführung des Hauptthemas im Orchester. Die Geige ergänzt und verwandelt Elemente des Themas in Geigen-Virtuosität. Auch das zweite Thema erscheint nach einer langen Vorbereitung in geigerischen Läufen wieder im Orchester, zuerst zärtlich im Bläserklang, dann wieder im vollen Sound des Orchesters. Die Geige unterstützt die thematische Verarbeitung mit variantenreichen Läufen und Figuren bis zum Höhepunkt des Satzes, wo das Hauptthema in der Reprise gross im vollen Orchester wieder auftaucht. Die Geige schliesst sich leidenschaftlich an, spielt ihre Können voll aus und führt zum zweiten Thema, das im singenden Glanz der Geige erscheint. Auch jetzt greift der energische Zwischenruf ein und eröffnet den Weg zur grossen Violinkadenz, die jetzt erscheinen muss.

Wie verzaubert erscheint zum Abschluss der Kadenz das zweite melodiöse Thema in höchster Lage der Geige, leise begleitet vom Orchester – fast wie in Brahms-Violinkonzert das erste Thema nach der grossen Kadenz -, bevor ein fast opernhafter Schluss diesen ersten Satz auf italienische Art beschliesst.

 

 

Satz 2: Andante

 

Wieder eröffnet ein markantes rhythmisches Begleitmotiv den Satz, bevor sogleich die Solovioline mit ihrem Gesang sich in die Weite einer zeitlos schönen Melodie verströmt. Nachdem eine sich langsam aufbauende leidenschaftliche Steigerung abgeklungen ist, übernehmen Oboe und Klarinetten sowie schliesslich das Horn das melodiöse Geschehen. Die Geige teilt sich mit ihnen den strömenden Gesang. Alles fliesst, im Orchester und in den Figurationen und Melodien der Sologeige. Ein Bläserchor setzt ein, dem die Geige ihre begleitenden Klangfiguren zuspielt . Langsam findet die Geige zurück zu ihrem Gesangsthema, wunderschön sonor in tiefer Lage gespielt, von Horn und Harfen begleitet. Eine kurze Kadenz im Doppelgriffspiel leitet über zum leisen Verklingen dieser neoklassizistisch romantischen Stimmung.

Satz 3: Molto sostenuto - Allegro quasi presto

Auch im letzten Satz startet ein markanter Rhythmus den Satz, zu dem die Sologeige sogleich tänzerische Vorübungen präsentiert, um dann quasi presto den Tanz  selbst vorzutanzen, bis sich das Orchester mit voller Kraft am Tanz beteiligt. Doch es bleibt die Geige, die den Tanz anführt und mit Pirouetten und eleganten Bewegungen brilliert, vom Orchester begleitet, bis die Geige nach einer ausführlichen Überleitung erneut das Tanzthema quasi presto präsentiert. Die Holzbläsergruppe antwortet mit einem neuen feinen, leisen und sich abwärts neigenden weiteren Thema, das gleich von der Geige nachgespielt wird. Harfen und Flöten verzaubern die Stimmung, doch die Geige drängt mit Elan zurück zum tänzerischen Schwung. Das Tänzerische übernimmt in Geige und Orchester erneut die Führung. Das Orchester stampft entschieden mit. Ein erneutes Zwischenthema in der Geige, vom Orchester pizzicato begleitet, führt in neue Tanzgefilde…. Doch dann ein paar dunkle Paukenrhythmen, nochmals volle Bewegung, dann aber verdüstert sich die Stimmung, einige dunklere Töne klingen mit, als sei dem Tanz nicht zu trauen. Doch der Schlussspurt der Sologeige und der pathetische Schluss weisen Bedenken zurück, geht es doch um Musik und um Spiel, und zwar um nichts als Musik und um nichts als Spiel.


www.unbekannte-violinkonzerte.jimdofree.com

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