Beat Furrer: Konzert für Violine und Orchester (2019/20)

 

 

Beat Furrer

geboren am 6. Dez. 1954 in Schaffhausen

 

Uraufführung:

15. Oktober 2020 in München durch Ilya Gringolts  

 

Schweizer Erstaufführung:

6. September 2021 in Luzern ebenfalls durch Ilya Gringolts

 

Aufnahme:

Die Aufnahme der Uraufführung ist auf Youtube abrufbar.

 

 


Das Violinkonzert von Beat Furrer entstand grösstenteils während des ersten Jahres der Corona-Pandemie 2020. Er schrieb es für den Geiger llya Gringolts. Beat Furrer prägte die zeitgenössische Musik seit Jahren, nicht zuletzt auch als Gründer, ehemaliger Leiter und Dirigent des Klangforums Wien. In einem Programmheftbeitrag zur schweizerischen Erstaufführung von Furrers Violinkonzert schreibt Martin Demmler über die sinnlich geprägte Musik von Beat Furrer: «Es sind hochfragile Tongebilde, angesiedelt zwischen Stille, Geräusch und Klang, die seine Werke inzwischen bestimmen. Furrers Markenzeichen ist ein physisch erlebbarer Klang bei gleichzeitig strengster Fokussierung auf ein klar umrissenes, reduziertes Ausgangsmaterial.» Das Konzert kann in drei Teilen beschrieben werden, drei Teile, die aber in grossem Bogen ineinander übergehen. Beat Furrer eröffnete selbst: »Die grundsätzliche Idee war, dem Geigenklang eine Resonanz zu geben – von den

höchsten Lagen bis in die Tiefe. Durch langsame harmonische Verschiebungen werden stets unterschiedliche Beleuchtungen

erzeugt.« Der folgende Hörbegleiter beansprucht keine grosse musikwissenschaftliche Kompetenz, er entstand schlicht durch aufmerksames Hinhören und dem Versuch, meine Eindrücke zu versprachlichen. 

 

Hier zu hören!

 

Hörbegleiter: 

Teil 1

Nebelhafter Beginn… Geräusche, Atem (in Bassflöte und Akkordeon)

Kaum wahrnehmbare Strukturen und Gestalten.

 

Tiefer Bassklang der Bläser.

 

Amorphe Klänge drängen aufsteigend in den Raum.

 

Dann werden hohe Töne, identifizierbar als Geigentöne des Solisten, hörbar, die sich über der amorphen Klangwelt langsam nach unten bewegen.

Die beiden Klangwelten, Orchester und Geige, gehen aufeinander zu, als wollten sie sich in einer Mitte treffen und verschmelzen. Oder gar kreuzen.

Mit der Zeit scheinen sich Ansätze einer Melodie der Geige herausschälen zu wollen.

 

Aber nichts ist eindeutig.

Im Gegenteil, plötzlich ein wilder Ausbruch des Orchesters,

der diese geheimnisvolle Anfangsentwicklung zerstört. Es gelingt kein Sich-Kreuzen.

Kurze Stille nach dem Aufruhr.

Allgemeines Erschrecken.

Nachzittern der Geige, stockendes Nachfragen in einem unruhigen Geigenrezitativ, das sich steigert.

 

Tiefe Orchesterschläge, neuartige Blechbläserklangkombinationen, wilde Orchesterfetzen.

Die Geige ringt um ihre Präsenz, stockt.

 

Ein Posaunenton – lang und ernsthaft, bestimmend – , das Orchester schliesst sich an und verklingt langsam, amorphe Klänge wie zu Beginn.

Die Geige tritt wieder anfragend dazu.

Neues Verschmelzen amorpher, aber von tragender Schönheit geprägter Klänge…

Nochmals ein kurzer Ausbruch, ein Hervorzittern der Geige auf einem gleichbleibenden Ton, Splitter eines Geigentons… gleichsam ein Suchen der Geige nach ihrer eigenen Identität und Klangfarbe.

 

Dann langsames Verklingen.

 

 

Teil 2

Wildes aggressives Geigenrezitativ.

Höchste Bewegtheit, ein Sich-Stemmen gegen Verzweiflung, Aufbegehren.

Apokalyptische Stimmung.

Als wollte die Geige sich retten.

 

Das Orchester, aufgesplittert in Tausend Fetzen und Klänge, übernimmt die wilde Bewegung, verfolgt die Geige und treibt sie vor sich her.

 

Die Geige steigt in höchste Lagen, ihre wild-virtuosen Tonaufsplitterungen, eine Art gehetztes Gehäcksel aus Verzweiflung. Wilde Läufe.

 

Breite Klangflächen untermalen den wilden sprachähnlichen Geigenausbruch.

 

Atemlosigkeit und Hin und Her zwischen Orchester und wilden Geigenfiguren

 

 

Dann unerwartet ein Abbruch!

Teil 3

Nochmals startet die Geige mit ihren wilden Ausbrüchen und Figuren.

Sie spricht, redet, schreit fast, wütend, und stemmt sich gegen das Orchester.

Beruhigt sich nur langsam. Ihre Aggression wird von Orchesterklängen aufgefangen…

 

Alle finden langsam zurück zur Ruhe, ab und zu zuckt die verzweifelte Aggression der Geige nochmals auf. Grosse Sprünge, Ansätze von Melodien. Zurück zum Ton in höchster Lage des Anfangs.

 

Holzbläser-Dissonanzen legen sich über das Ganze, tiefe Basstöne (und geerdete Akkordeonklänge) legen sich unter die Klangwolke und das Ganze klingt beruhigend aus.

Die Klänge werden schöner und sphärischer… verklingen in Erinnerung an den Anfang.

 


www.unbekannte-violinkonzerte.jimdofree.com

Kontakt

 

tonibernet@gmx.ch