Albert Dietrich: Violinkonzert d-moll op 30 (1874)

Thema des 2. Satzes
Thema des 2. Satzes

Albert Dietrich 

geboren 28. Aug. 1829 bei Meissen

gestorben 20. Nov. in Berlin

 

Erstveröffentlichung: 1874

 

CD-Empfehlungen:

Hans Maile, Violine, 1983

Elisabeth Kufferath, Violine, 2007

 

 


Bekannt ist Albert Dietrich den Musikinteressierten von der Sonate F.A.E (Frei-Aber-Einsam) her, die er in Gemeinschaftsarbeit mit Schumann und Brahms komponierte. Ansonsten sind seine Werke schnell vergessen gegangen, die grosse Sinfonie Op. 20 etwa, seine Oper Robin Hood, und eben auch sein gross angelegtes Violinkonzert Op. 30 d-Moll.

 

Dietrich war in Düsseldorf ein Schüler Schumanns, der ihn als genialen jungen Künstler ähnlich wie Brahms lobte. Er gehörte dort zum engsten Freundeskreis um Clara Schumann, Joseph Joachim und Johannes Brahms. Den geistigen Zusammenbruch Robert Schumanns erlebte er aus nächster Nähe. Albert Dietrich wirkte danach lange Zeit vor allem in Oldenburg, wo er Hofkapellmeister und ein oft aufgeführter anerkannter Komponist war und so das musikalische Konzertleben der Stadt prägte. Dort entstand 1874 auch sein Violinkonzert, das wie alle seine Werke aus undurchsichtigen Gründen einfach aus unsern Konzertsälen verschwand.

Hier zu hören:

 

 

Satz 1 (Allegro)

Ähnlich wie Schumanns spätes Violinkonzert (Dietrich kannte wohl das 1853 entstandene Schumannkonzert) beginnt Dietrichs Violinkonzert ebenfalls in orchestralem d-Moll. In den Bässen erhebt sich danach gleich ein bewegt voranschreitendes Thema, das den Auftritt der Geige vorbereitet. Diese übernimmt das rhythmische Kernmotiv und spinnt das Vorgegebene weiter. Dann erscheint das Thema breit im Orchester und entwickelt sich gross, bis die Geige überleitet zu einem aus einer sonoren Tiefe aufsteigenden romantischen Seitenthema, das sich singend ausbreitet, bis die Hörner es ausklingen lassen. In einem neuen Anlauf schwingt sich die Geige zu virtuosen Läufen auf, ohne in virtuosen Selbstzweck zu verfallen, sondern immer symphonisch eingebettet in tiefen Ernst. Die musikalisch-heroische Stimmung dieses Satzes bleibt bis zur Durchführung, erst da lichtet sich die Welt, wird heller in Flöten, Geigen und Pizzicatos; der rhythmische Kern des Hauptthemas wird zur bewegenden Kraft, die Geige schwebt in ihren Läufen über dem Orchester und führt erst nach heftiger Erregung zur Reprise des Hauptthemas über. D-moll-Stimmung wie zu Beginn, und wieder ist es die Geige, die das freundliche melodiöse Seitenthema zur Beruhigung einbringt und zu romantischen Hörnerklängen in geigerischer Schönheit zur Coda hinüberführt.  Nochmals ein heftiges Orchesteraufbegehren, das dann Platz lässt für die Kadenz der Geige, wobei das Orchester – eine Spezialität dieses Satzes - während der Kadenz der Geige nicht stille hält, sondern die wahnwitzigen Virtuositäten diskret begleitet. Dann aber sagt das Orchester: Schluss jetzt.

Satz 2 (Adagio espressivo)

Auf der G-Saite erklingt zu leisem Paukenwirbel eine ausdrucksvolle, weitausholende romantische A-Dur-Melodie, die die Seele weit öffnen will. 

Diese sehnsuchtsvolle Ruhe wird erst in einem bewegten Mittelteil gestört, ein rhythmisches Motiv treibt an und bringt eine ungeduldige Unruhe. Auch das Orchester mischt sich ein. Erst langsam ermattet diese Erregtheit, besänftigt sich in der Geige, die daraus einen wiegenden Gesang entstehen lässt, grazioso ed espressivo. Die Geige überlässt sich diesem Singen bis zum Verklingen. Dann bringt fast choralartig das Orchester die Eingangsmelodie, die Geige übernimmt, die Bewegung bleibt, das Singen auch, erst am Ende kehrt die Geige zurück zur Ruhe der romantischen Stimmung der Anfangsmelodie. Tiefer Frieden - Weltentrücktheit vielleicht -, die G-Saite der Geige singt sich in aller Ruhe aus.

Satz 3 (Allegro molto vivace)

Aus dieser wohltuenden Stimmung reisst uns nach kurzer Satzpause ein neuer, in Synkopen zum Tanz einladender Rhythmus. Die Geige greift diese Aufforderung zum Tanz sofort auf und gibt das Tempo vor.  Virtuose Sechszehntel sausen los, stürzen sich in virtuose Doppelgriffpassagen und in atemberaubende Oktavläufe. Nur kurz folgen gesanglicher geprägte Momente, bevor das tänzerische Thema wieder weitertreibt. Wir werden als Hörende mitgerissen, bis das Orchester ein jubelndes breites Singen anstimmt. Die Geige begleitet in Läufen und geigerischem Auf und Ab. Wieder und wieder entsteht aus aller geigerischen Spielfreude heraus dieses rondoartige, erneut synkopisch geprägte und schwungvolle, mitreissende Hauptthema. Das Thema wird einem begeistert mitgehenden Hörenden zum Ohrwurm, man taumelt innerlich dem Ende entgegen, nur ab und zu kurz wiegender Ruhe überlassen. Dann geht’s dem abschliessenden Höhepunkt entgegen, die Zeit jubelt, pure Lebenslust.

 


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