Louis Spohr: Concertante Nr. 1 in A-Dur für zwei Violinen und Orchester op.48

Beginn der Concertante in der Solostimme 1
Beginn der Concertante in der Solostimme 1

 

 

Ludwig (Louis) Spohr

geboren 5. April 1784 in Braunschweig

gestorben 22. Oktober 1859 in Kassel 

 

Entstehungszeit: Frühjahr 1808 in Gotha

 

CD-Empfehlungen:

Antje Weithaas, Mila Georgieva  1997/98

 

Ulf und Gundhild Hoelscher 2001

 

H. Kraggerud, O. Bjora 2008


Louis (Ludwig) Spohr erwarb sich in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts einen höchst substanziellen und hervorragenden Ruf als Violinvirtuose, Dirigent, Autor, Lehrer und produktiver Komponist von über hundert Werken. Er steht musikgeschichtlich im Übergang von der Klassik zur Romantik, ist heute aber meist nur noch mit Kammermusikwerken (z.B. seinem Nonett in F-Dur) in den Konzertprogrammen vertreten. 

Beim Studium seiner Partituren versteht man, dass sich Spohr selbst zu einem Schüler Mozarts erklärte. Denn seine Werke sind klassisch in der Form. Trotzdem aber entfernen sie sich musikalisch von Mozarts Klangwelt. Spohr war weit gereist und hatte auch das Glück, zahlreiche Komponistenkollegen zu treffen, von denen er beeinflusst wurde. Dazu gehörten Clementi und Field in St. Petersburg, Meyerbeer und Mendelssohn in Berlin, Beethoven in Wien, Viotti und Cherubini in Paris und Weber in Stuttgart. 

Im späteren neunzehnten Jahrhundert erschien Spohrs nachklassischer Stil denjenigen, die mit den berauschenden Klängen von Wagner, Tschaikowsky, Richard Strauss u.a. aufgewachsen waren, als zu altmodisch. Noch blieb zu dieser Zeit Spohrs erfolgreiche Oper Jessonda op. 63 (1823), die von Brahms und R. Strauss gefeiert wurde, populär und wurde oft in Deutschland aufgeführt. In Großbritannien erwies sich Spohrs Oratorium «Die letzten Dinge» (1826) bis zum Ersten Weltkrieg als Favorit provinzieller Gesangsvereine. 

Unter Spohrs Werken gibt es 18 Violinkonzerte und 7 Kompositionen für Soloinstrumente und Orchester, von denen er  fünf Concertante nannte. Unter den von Spohr selbst veröffentlichten Concertantes gibt es zwei Concertantes für 2 Violinen, eine in der Romantik seltene Besetzung, und zwar die  Nr. 1 in A-Dur für zwei Violinen und Orchester op.48 und als ihr Gegenstück die Concertante Nr. 2 in h-Moll op.88.

Spohr komponierte die Concertante Nr. 1 in A-Dur für zwei Violinen und Orchester op. 48, im Alter von 24 Jahren, im Frühjahr 1808, während einer Schaffensphase, in der er mit originellen Formen und komplizierten Techniken experimentierte. Sie kommt als erfrischende Alternative zum üblichen Repertoire daher, gerade auch weil für 2 Solisten geschrieben. Hier eine Anleitung, genauer hinzuhören.

Hier zu hören:

1. Satz

2. Satz

3. Satz

 

Satz 1 (Allegro)

Die Orchesterexposition schleicht sich langsam aus dem Dunkeln hervor, Bläsersoli stimmen mehrmals in A-Dur ein aufsteigendes rhythmisches Motiv an und führen zum ersten heftigen Ausbruch. Das Motiv entpuppt sich als Hauptthema, meldet sich wieder, diesmal in den Celli, von den Bläsern beantwortet. So führt das volle Orchester hinüber zum Nebenthema, einem wiegenden dolce-Thema  mit einem akzentuierten Schlenker am Schluss, das jetzt grundoptimistisch die Führung übernimmt, nur kurz eingetrübt in einer besinnlichen Moll-Variante.

 

Die Vorgabe des Orchesters ist damit gemacht, jetzt übernehmen die Solisten in Unisono-Oktaven das aufsteigende A-Dur-Hauptthema. Friedlich, gemeinsam und einander mit glitzernden Geigenläufen ablösend beleuchten sie dieses Thema in lichtem Glanz. Und immer wieder scheinen sich die Geigen in Spielereien aller Art und hohen Trillern zu verlieren. So führen sie klassisch formal korrekt zum schlenkernden Nebenthema, das sie ebenso zweisam aussingen und umspielen wie das erste Motivthema. Mit Schwung führen die Geigen zu einem nächsten Orchesterzwischenspiel, das unmerklich in die Durchführung führt und ein fast etwas wehmütiges drittes Thema auftauchen lässt, die Geigen folgen besinnlich und in Moll.

Dann folgt wieder das aufsteigende Motiv schwankend zwischen Dur und Moll und mit virtuos wilden Läufen. Unmerklich führt es aus der Durchführung hinaus, bis die Geigen wieder in entschiedenem A-Dur das Motivthema übernehmen. Auch das Nebenthema kommt wieder ausführlich daher, jetzt aber neu in dunkler Färbung. Dann eilen die Geigen zusammen mit dem Orchester in schwungvollem Vorwärtsdrängen hin zu einem Abschluss dieses lebensbejahenden Satzes. Im ganzen Satz gelingt es Spohr, neben den virtuosen Geigen auch den Bläserstimmen immer wieder genügend Persönlichkeit zu verleihen. 

Satz 2 (Larghetto)

Eine traumhafte, von ergreifenden Halbtönen erfüllte Melodie, immer auf der dunklen G-Saite der Violinen gespielt, öffnet einen mystischen Raum, und er-öffnet damit das zentrale Larghetto, für mich einen der romantischsten langsamen Sätze von Spohr, der auch vom Musikschriftsteller Hartmut Becker als "ein musikalisches Kleinod der besonderen Art" bezeichnet wurde. Nach einem kurzen Zögern der Musik schliesst sich ein Mittelteil an, geprägt von einem laufenden Orchester-Pizzicato, worüber  die Geigen ihre ganze Terzen- und Sexten-Süsse erklingen lassen. Dann erinnert im dritten Teil die traumhafte Melodie im Streichorchesterklang wieder an den Anfang, die Geigen spielen  aufgeregte Sechszehntel, aber der schlichte C-Dur-Schluss versöhnt.

Satz 3 (Rondo - Allegretto)

Ganz nach dem Vorbild der Klassiker Haydn und Mozart folgt jetzt der Rondo-Tanz eines Violinkonzertes. Das Thema ist neckisch und scherzhaft beschwingt. Dieses heitere Finale versteht sich von selbst, ist reich an galanten Tönen (und animierenden Hörnern). Immer mal wieder folgt ein orchestraler Spezialeffekt, der zu Spohrs Zeiten besonderes Erstaunen auslöste. Ein herberes Zwischenspiel fährt dazwischen, aber die Geigen feiern ihr Können. Immer wieder kommt, wie das ein Rondo erwarten lässt, das neckische tändelnde Rondothema und entlässt uns in bester Laune. 


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