Valdimir Sommer
geboren am 28. Feb. 1921 in Dolní Jiřetín bei Most, Tschechien;
gestorben am 8. Sept. 1997 in Prag
Uraufführung:
13. Mai 1950 durch Milan Škampa und das Czech Radio Symphony Orchestra Prague unter Karel Ancerl
Aufnahmen (Youtube):
Ladislav Jásek (unter Václav Jiráček)
Václav Snitli (unter Václav Neumann)
Der Zufall liess mich dieses Violinkonzert entdecken. Es kam genau zum richtigen Moment in meine CD-Schublade, riss mich mit seiner hämmernden und resoluten Präsenz unmittelbar mit. Sofort verbreitete es gute Laune und eine halbe Stunde lang pures Vergnügen, umschmeichelte mich mit seiner Melodiösität und seinem musikalischen Witz. Es wirkte sehr jugendlich und neoklassisch modern, erinnerte mich etwas an Prokofiev. Kein Wunder, wie ich mich informierte, es war die Abschlussarbeit eines 29jährigen tschechischen Komponisten aus dem Jahre 1950 und war wohl von einer gewissen Aufbruchstimmung nach den Jahren des 2. Weltkrieges geprägt. Weder war mir der Name des Komponisten bekannt, Vladimir Sommer, noch schon mal begegnet. Und was ich noch herausfand, war wenig. MGG online informierte mich biografisch: «Sommer studierte zuerst am Lehrerbildungsinstitut in Bíliň, Louny und Prag, später am Prager Kons. Violine bei B. Voldan und Komposition bei K. Janeček (1941–1946) und setzte sein Kompositionsstudium an der Akad. der musischen Künste (AMU) bei P. Bořkovec fort (1946–1950; 1951/52 Aspirantur ohne Abschluß). Er war Mitarbeiter in der Musikredaktion des Auslandssenders beim Tschechoslowakischen Rundfunk (1953) und zwischen 1953 und 1956 Sekretär beim Verband der tschechoslowakischen Komponisten (mit Václav Dobiáš gehörte er zu den Reformern des Verbandes, die dessen Abkehr von der Ždanovschen Linie erreichten). Er wirkte von 1955 bis 1960 als Fachassistent und schließlich als Doz. am Lehrstuhl für Komposition der AMU, ab 1960 als Doz. und ab 1968 als Prof. am Lehrstuhl für Mw. der Karlsuniv. (bis 1986). Sommer schrieb einige Artikel für die Zss. Hudební rozhledy und Kultura und war Mitübersetzer von A. Honeggers Je suis compositeur und von D. Šostakovičs Memoiren.»
Das tschechische Musikinformationszentrum musicbase.cz charakterisiert Vladimir Sommers Musik wie folgt: «Die Komposition zeichnet sich durch Sommers melodische Begabung, seine Fähigkeit, musikalische Grundstrukturen mit wandelbaren Bedeutungen zu versehen, seinen Sinn für reine Instrumentation und vor allem für hochsteigende Emotionalität aus. Die Komposition stieß nicht nur im Inland, sondern auch bei Aufführungen im Ausland auf große Resonanz. Sommers entwickeltes visuelles Denken und dramatisches Gespür verhalfen ihm dazu, auch als Autor von Filmmusik erfolgreich zu sein. Eine starke autokritische Haltung ist ein charakteristisches Merkmal von Sommers Persönlichkeit, weshalb er der Öffentlichkeit nur eine relativ kleine Anzahl von Kompositionen vorlegt.» Zu diesem seinem Werk gehören neben dem Violinkonzert u.a. ein Cellokonzert, eine Vokalsinfonie (Dirigent Václav Neumann!), Streichquartette und eine Sinfonia da Requiem für Soli, Chor und Orchester.
Hörbegleiter:
Ein hämmernder Rhythmus unterstützt den energischen Risoluto-Einsatz der Sologeige, deren erstes Thema sofort präsent ist und viel Energie mit sich bringt. Nochmals wiederholt die Geige das mitreissende Risoluto-Motiv. Auch das Orchester übernimmt das Motiv, Die Geige aber besänftigt den ersten Schwung, steigt hinauf in höchste Lagen, der Rhythmus tritt zurück und als zweites Thema folgt eine von der Solovioline in wundervoller Süsse angestimmte Melodie (wie eine Melodie bei Prokofiev!) und singt sich in geigerischem Wohlklang aus.
Aus der Tiefe lässt sich nochmals das Resoluto-Thema hören, auch die anfänglichen Rhythmen prägen die Durchführung und variieren vergnügt hin und her. Immer energischer und entschlossener tritt die Sologeige wieder in den Vordergrund, bis ein markantes Hornsignal Einhalt gebietet und sich das süsse Thema wieder einschmeichelt. Die Musik pendelt zwischen Melodienfreudigkeit und sanfter Ironie und Witz. Ein Jugendwerk, frech, aber auch lustvoll auf Effekt hin komponiert.
Wirkungsvoll wird dann auch die Solo-Kadenz vom Orchester vorbereitet, und virtuos wird die Kadenz von der Geige präsentiert. Leise schleicht sich zum Schluss der Kadenz das Risoluto-Motiv im Orchester ein, erinnert die Geige an ihr Motiv. Doch die Geige überlässt sich sanft einer wohlklingenden Melodieseligkeit, als wäre sie schon im zweiten langsamen Satz gelandet. Erst zum Schluss reisst die Geige nochmals alle Energie zusammen und beschliesst den Satz wie zu erwarten in jugendlichem Übermut.
Harfenbegleitung leitet eine träumerische Geigenmelodie ein, eine Melodie, die ihre Flügel ausbreitet und sich haarscharf, aber unvermischt von Kitsch abgrenzt. Sie lässt einen Moment in Schönheit verweilen und kommt dann wieder und lässt sich am motivischen Beginn der Melodie leicht wieder erkennen. Im Mittelteil des Satzes beschleunigt sich die Orchesterbegleitung, treibt die Geige voran und steigert sich zu einem orchestralen Höhepunkt, zuerst in den Geigen, dann in den Blechbläsern. Nach dem Ermatten dieses Ausbruchs des Orchesters trillert die Geige sich zurück zu ihrer Melodie samt Harfenbegleitung. Und man folgt erneut dieser fliessenden und verführerischen Melodie des Geigenspiels. In höchsten Höhen verlieren sich dann der feine Klang der Geige und die Melodie.
Tiefes Grummeln des Orchesters leitet mit Schwung das akzentuiert tänzerische und rasante erste Thema der Geige ein. In beschwingtem Tempo treibt die Geige die stressige Musik voran, bis ein paar einatmende Bogenstriche dem Fagott den Beginn der folgenden langsam durchatmenden Melodie überlässt. Aber kaum hat die Geige wieder Atem geschöpft, treibt sie die Musik in atemlosem Tempo weiter. Allerdings bloss, bis ihr eine Melodie einfällt, die etwas Ruhe bringt, weil die Geige dieser Melodie nachhängt, selbst als das Orchester versucht, mit leisen Rhythmen die Musik wieder anzutreiben. Jetzt bleibt die Geige aber bei der Melodie, denn Musik ist Melodie, meint man sie sagen zu hören.
Erst einem wilden Klarinetten-Solo gelingt es dann, die Melodieseligkeit zu vertreiben und die Musik wieder anzutreiben. Auch wenn die Geige nochmals zurückkommt zu ihrer Melodie und deren weiten Ruhe, es gehört zu einem rasanten Schlusssatz, dass er mit Schwung und wilder Bravour endet. Man meint allerdings, in den Schlussakkorden noch ein Aufblitzen des musikalischen Witzes mit gehört zu haben.