Isidora Žebeljan
geboren 27 Sept. 1967 in Belgrad, Serbien
gestorben: 29 Sept. 2020 in Belgrad, Serbien
Uraufführung:
Entschede, 24. August 2017
Daniel Rowland (Violine),
Stift Festival Orchestra,
geleitet von David Cohen
Aufnahme:
Auf Youtube ist die Videoaufnahme der Uraufführung zu finden.
Isidora Zebeljan (1967-2020) stammte aus Belgrad und gehörte europaweit zu den bekanntesten serbischen Komponistinnen. Sie bleibt trotz ihres frühzeitigen Todes ein Geheimtipp für eine zeitgenössische Musik, die sich ohne Kompromisse aber direkt den Hörenden mitteilt. Ihre Musik atmet eine kunstvoll mit der zeitgenössischen Musik verflochtene, aus dem Balkan stammende Folklore und lebt von einer virtuos farbigen und rhythmisch vielfältig pulsierenden Orchestrierung. Über ihre Grenzen hinaus wurde sie international mit ihren Opern bekannt: "Zora D." (2003 von David Pountney und Nicola Raab in Amsterdam und in der Wiener Kammeroper uraufgeführt), "Eine Marathon-Familie" (Uraufführung an den Begrenzer Festspielen 2008) und "Simon, das Findelkind" (Uraufführung 2015 in Gelsenkirchen). Drei Jahre vor ihrem frühen Tod nach langer Krankheit schrieb sie für Daniel Rowland das Violinkonzert «Three curious loves». Die im Titel angesprochenen drei Lieben – so erklärte Isidora Zebeljan in einem Interview nach der Uraufführung des Violinkonzerts – seien mysteriöse und geheimnisvolle Lieben. Es brauche «calmness», «strength» und «lucidity», um diese geheimnisvolle Lieben Schritt um Schritt zu finden, die wie im Märchen hinter sieben Tälern und sieben Bergen versteckt sind.
Über dem stockenden Zupfen eines Kontrabasses entfaltet sich in aller Ruhe eine über dem Nichts schwebende Melodie der Geige, sie erzählt Traumhaftes und verzaubert in ihrer traurig-schönen Einstimmigkeit.
Erst nach einer Weile tritt das Orchester dazu. Es unterbricht diese ruhende Stimmung und bringt plötzlich überraschende rhythmische Impulse und völlig andere Klangfarben mit sich. Die Geige erwacht aus ihrer melancholischen Stimmung, fügt sich zögernd ein, wird zum Tanz eingeladen, und übernimmt die Führung, geht in wechselnden, oft nur angedeuteten Tanz-Rhythmen voran und lässt das Orchester kurz rhythmisch explodieren, bis die Musik langsam ins Stocken gerät. Ein geheimnisvoller Rhythmus startet in Ruhe und steigert sich wieder zu wilder ausgelassener Expressivität. Erneut treibt die Geige das Geschehen voran, bis aller Schwung plötzlich abbricht.
Sphärische Klänge der Streicher breiten einen geheimnisvollen Klangteppich aus, darauf entfaltet sich die Sologeige frei, scheinbar improvisierend, sogar mit jazzähnlichen Geigenschleifern. Einzelne Bläser steuern Rhythmen bei; ein Klarinetten- und ein Fagott-Solo stellen Fragen.
Dann ein heftiger Ausbruch des Geigers, das Orchester gerät wieder in höchste Erregung, Pauken und Schlagzeug mischen sich heftig ein. Die Geige spielt in immer neuen Anläufen ihre Soli, sozusagen auf Leben und Tod, als treibe sie eine wildgewordene Gipsy-Band vor sich hin.
Dann unterbricht ein Hornruf alle Ausgelassenheit, Holzbläser und dann das ganze Orchester antworten. Wie eine Mahnung aus anderen Welten wiederholt das Horn seinen Ruf, die Geige antwortet leise, mit viel Glissando und Vibrato, als suche sie wieder ihre Melodie. In ihre Stimme mischen sich rhythmisch die Orchesterbläser. Die Geige geht wieder auf Reise und erzählt ihre Geschichte weiter, farbintensiv beteiligt sich das Orchester und strahlt in vielen Farben.
Die Musik gerät Immer mehr in Bewegung, die Geige durchquert unterschiedlichste Klangland-schaften. Ein rätselhaftes Duo Geige und Piano sticht hervor. Ständig wechselt das Orchester seine Farbe. Man folgt der Geige durch eine Märchenwelt von sieben Tälern und sieben Bergen. Immer neue rhythmische Impulse geben den farbigen Klängen neue Intensität. In grosser Erregung stürmt die Geige in all ihren Höhen und Tiefen voran.
Schliesslich starten die Streicher leise und immer lauter werdend rhythmisch eine Art Schlussspurt. Bläser treten dazu, Flötenglissandi und die frei und wild sich steigernde Geige treiben und bringen eine wildgewordene Gipsy-Musik fast zum Explodieren, bis kurz vor dem Höhepunkt alles abbricht. Die Geige sinniert nochmals ganz leise vor sich hin, dann ein heftiger Orchesterschlag. Ende.