Christoph Graupner: Violinkonzert A-Dur GWV 337

 

Christoph Graupner

geboren 23. Jan. 1683 in Kirchberg 

gestorben 10. Mai 1760 in Darmstadt

 

Entstanden: 

um 1742

 

Aufnahmen:

Friedemann Wezel 2007 mit dem Ensemble il capriccio;

 

Walter Reiter 2010, mit der Accademia Daniel

 


Warum dieses Konzert auswählen und empfehlen, angesichts all der vielen Barockkonzerte, die für die Geige geschrieben und überliefert sind? Antworten auf diese Frage könnten sein:

Weil ein schlicht zauberhafter zweiter Satz heraussticht, sozusagen einen Ohren-Catcher darstellt!

Weil das Konzert sich nicht wie viele seiner Zeit direkt an Vivaldi orientiert, sondern andere ungewohnte Eigenheiten und Traditionen       aufweist.

Weil Graupner als Komponist Interesse weckt, wenn man weiss, dass er damals 1723 in Leipzig die Stelle des Thomaskantors zugesagt bekam, und zwar wurde er Johann Sebastian Bach vorgezogen. Bach war nur dritte Wahl. Telemann wurde zuerst gewählt, lehnte ab, dann wurde Christoph Graupner gewählt. Sein Darmstädter Landgraf verwehrte ihm aber die Entlassung, so kam Johann Sebastian Bach als Thomaskantor zum Zuge. Als Bedienstete des Hofes waren Musiker damals Kultur-Besitz des jeweiligen Regenten. So schrieb Graupner seine vielen sehr schönen Kantaten nicht für Leipzig wie Bach, sondern viele Jahre lang für Hessen-Darmstadt.

Weil es das einzige Solo-Violinkonzert dieses sonst so schaffensfreudigen Komponisten ist: er hinterlässt ansonsten viele Bläserkonzerte, Opern, Kantaten, Ouvertürensuiten, Sonaten und  Claviermusik.   

 

Hier zu hören!

 

Satz 1 (Allegro)

Eine Besonderheit gleich zu Beginn: ein leiser erster Takt, bevor es losgeht…. Aufmerksamkeit erhaschend und auch schon vier aufsteigende Drei-Achtel-Noten exponierend, die im Verlauf des Konzertes wieder vorkommen werden.

Dann geht’s im 12/8tel Takt zügig und selbstbewusst los. Unvermutet folgt ein Fermaten-Stopp….  Als würde man gebeten, ab jetzt konzentrierter hinzuhören. Und dann wieder mit vollem Engagement in den 12/8tel Takt! Aber trotzig kommt ein nächster Fermaten-Stopp. Erst dann scheint die erste Geige genügend Aufmerksamkeit zu spüren, denn jetzt beginnt sie mit ihren virtuosen Figuren und reisst das Orchester mit. Mehrmals, und gegen Schluss des Satzes immer mehr, taucht ein Motiv auf, das den Schwung der Musik unterbricht und die Musik beruhigt. Es ist das anfangs exponierte Klangmotiv mit den vier Drei-Achtel-Noten. 

Satz 2 (Andante)

Sofort hört man zu: ein Motiv von 7 Pizzicato-Tönen wiederholt sich, breitet sich über das ganze Streichorchester aus und lädt so die Sologeige zu ihrer Aria ein. Und wirklich, die Geige beginnt ganz schlicht mit zwei ansteigenden Halbtönen in a-moll. Erst dann beginnt sie mit zauberhaften Verzierungen zu brillieren. All das über den sich wiederholenden Pizzicatos der Begleitinstrumente. Man könnte noch lange zuhören, diese Melodie zwischen a-moll und C-Dur, aber diese Aria ist auch in ihrer Länge schlicht und bescheiden.

Satz 3 (Allegro)

In beschwingtem A-Dur kommt die Lust des Konzertierens im dritten Satz zum Höhepunkt. Es beginnt wie ein Streichertutti bei Vivaldi. Aber Graupner überrascht dann unvermittelt und bringt wieder dieses viertönige Drei-Achtel-Motiv, als wäre sie ein Vorläufer des Schlussmotivs der Jupiter-Symphonie von Mozart. Aber als Hörer in geschichtlicher Distanz zeigt sich auch der Unterschied. Graupner lädt eher zu einem Ausruhen ein, nicht aber zu virtuoser Polyphonie wie bei Mozart. Das Konzert bleibt schlicht und abwechslungsreich. Ungewohnt auch, dass der erste Teil des Satzes wiederholt wird, wie bei einer Barocksonate, im zweiten Teil steigern sich die Geigensoli, ohne aber in wilde Virtuosität zu verfallen. Graupner ist eine Alternative zu den Violinkonzerten in der Nachfolge von Vivaldi. Trotz Ähnlichkeiten zu den italienischen Komponisten, die an den verschiedensten Höfen Europas wirken, ist Graupner sperriger und weniger nur auf die Sologeige allein konzentriert. Abrupte Wechsel der Affekte und mitreissender musikalischer Schwung verbinden sich im lustvollen Konzertieren. 


www.unbekannte-violinkonzerte.jimdofree.com

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tonibernet@gmx.ch