Johann Helmich Roman
geboren 26. Okt. 1694 in Stockholm;
gestorben 20. Nov. 1758 in Haraldsmåla.
Entstehung:
Jahr der Entstehung unbekannt, wahrscheinlich nach 1735.
Aufnahmen:
Nils-Erik Sparf 1984
Jan Stigmer 1994
Elisabeth Wallfisch 1994
Als Geiger, langjähriger Leiter der Hofkapelle am Stockholmer Hof und als Komponist war Johann Helmich Roman ein wichtiger Akteur des spätbarocken Hoflebens in Schweden. Während seiner Studienjahre in England 1716-21 (Studium bei Pepusch) und während einer ausgedehnten Reise nach England, Frankreich, Italien und Deutschland 1735-37 erwarb er detaillierte Kenntnisse über die musikalischen Strömungen der Zeit zwischen Barock und galantem Rokoko. Zu seinen vielen Werken im Dienst als Hofkomponist zählen die 35-sätzige «Drottingholmmusik» (komponiert 1744 für die Heirat des Kronprinzen Adolf Fredrik mit Lovisa Ulrika geschrieben), die 45sätzige Golowin-Musik (geschrieben für ein Fest im Jahr 1728 beim russischen Minister Golowin), rund 30 anspruchsvolle Sinfonien, geistliche Werke, Triosonaten sowie Konzerte, unter denen 5 gesicherte Violinkonzerte herausragen. Als bedeutender, leider wenig bekannter Beitrag zur barocken Solo-Literatur zählen auch seine Assagi für Violino solo. Romans Werk zeigt auch, wie breit die barocke Musikkultur das damalige fürstliche Europa prägte.
Hier zu hören!
Satz 1: Allegro
Hörbegleiter:
Dynamisch, einprägsam und faszinierend schon der Anfang: Das dreiteilig strukturiere Ritornellthema startet in den ersten 5 Takten diatonisch mit dreimaligem, prägnantem Hin und Her von Ausruf und Antwort. Takte 6 und 7 reagieren darauf mit einer chromatischen Aufwärts-Passage, worauf eine zweitaktige rhythmische Wendung das Ritornell beschliesst.
Sofort setzt die Sologeige mit einer eigenen epischen Weiterführung des Anfangsschwungs ein, vom Orchester rhythmisch begleitet. Immer wieder lösen sich Ritornell-Motive mit freien, weniger strukturierten Passagen der Solostimme ab. Die Erinnerung an die chromatische Aufwärtsbewegung im Orchester führt zwischenzeitlich zum Ritornell zurück, wobei die Geige gleich wieder frei die Führung übernimmt.
Nach kurzem Zwischenhalt, leisem Schöpfen neuer Kräfte, markiert das Orchester mit der vollständigen Wiederholung seines d-moll-Ritornells erneut Präsenz. Ein Zwischenspiel der Sologeige erfindet neue Wendungen und kreiert weiterführende Musik.
Doch dann greift das Orchester «da capo» zum Anfang zurück und wiederholt Ritornell und Solospiel der Geige nochmals von Anfang an bis zum erschöpften Einhalt kurz vor dem Schluss. Die Sologeige improvisiert noch eine kurze Kadenz, bevor das Orchester-Ritornell das letzte Wort behält.
Es folgt eine Pastorale in B-Dur, wie sie einer Oper Haendels entstammen könnte. Doch Barockmusik macht keine individuellen Autoren-Ansprüche. Der Tanzcharakter (hier ein Siciliano-Rhythmus) bestimmt, was die Hörenden hören dürfen. In zwei Abschnitten (je nach Aufführung auch wiederholt) präsentieren Orchester und Sologeige (mit ihren Verzierungen) ein meditatives Andante.
Mit viel Energie startet ein sich über 26 Takte erstreckendes d-moll Ritornell-Thema. Charakterisiert wird es gleich zu Beginn durch stockende Unterbrüche. Dann breitet es sich in Geigenfigurationen aus, ergeht sich in Unisono-Läufe und endet wieder in d-moll.
Sofort schliesst sich das Geigensolo an, mit gleicher Energie und Entschiedenheit, aber mit andern Motivstrukturen brillierend und zwischen forte und piano wechselnd. Der Beginn des Ritornell-Thema mischt sich wieder ein, neu in a-moll. Wieder antwortet die Solo-Geige mit ihrer eigenen Solomotivik, schält neue Motive heraus, bringt sie forte und piano in neue Zusammenhänge, entwickelt Freiheit und Fantasie, folgt wirkungsvollen Solo-Figurationen, synkopiert und strahlt. Bis die abschliessende Wiederholung des ganzen ersten Ritornell-Themas alles zu einem Ganzen einschliesst.