Josef Mysliveček: Violinkonzert in D-Dur (um 1770)

 

Josef Mysliveček 

geboren 9. März 1737 in Prag

gestorben 4. Februar 1781 in Rom

 

 

Entstanden: um 1770 

 

CD-Aufnahmen:

Sebestyen 1981

Shizuka Ishikawa 1983

Leila Schayegh 2017

 

 


Man fühlt sich in Mozarts-Klangwelt versetzt, wenn man eines der neun überlieferten und fast vergessenen Violinkonzerte von Josef Mysliveček hört.

Mysliveček ist ein Zeitgenosse von Mozart. Die beiden sind sich auch mehrmals auf ihren beruflichen Reisen begegnet, und Mozart hat die Musik dieses 20 Jahre älteren Freundes gekannt und sehr geschätzt. Gerade die Violinkonzerte von Mysliveček scheinen Mozarts Violinkonzerte beeinflusst zu haben.

Das Leben von Josef Mysliveček verlief anfangs sehr erfolgreich. Nachdem er seine Heimatstadt Prag, wo er auch Geigenspiel gelernt und sich als Geiger betätigte, verlassen hatte, und seinen von seinem Vater ererbten Beruf als Müller aufgegeben hatte, wurde er zu einem der damals bekanntesten Opera-seria-Komponisten in Italien. Man nannte ihn wegen des für Italiener unaussprechlichen Namens kurzerhand den Divino Boemo. Ob der grosse Erfolg ihm gut tat? Eine für Rom bescheidene Denkinschrift ist heute in der Kirche San Lorenzo in Latina am Corso zu finden. Il Boemo soll verarmt, vergessen und schwer syphiliskrank 1781 in Rom verstorben sein. Seine letzte Begegnung mit Mysliveček 1777 in einem Spital in München beschreibt Mozart folgendermassen:

«wie seine krankheit am stärcksten

war, machte er eine opera nach Padua. da nuzt nichts, man sagt es

auch hier selbst, daß ihn die Doctors und Chirurgi hier verdorben haben.

es ist halt ein förmlicher beinkrebs. der Chirurgus Caco, der

Esel, hat ihm die Nasen weg gebrennt; man stelle sich iezt den schmerzen vor».

Aber Mozart ergänzt und charakterisiert ihn ganz persönlich:

«wenn sein gesicht nicht wäre, so wäre er völlig der nämliche; voll feüer, geist und leben»

(Brief Mozarts an seinen Vater vom 11. Oktober 1777).

Voll Feuer, Geist und Leben, genau so kommt auch sein hier ausgewähltes Violinkonzert in D-Dur daher. Das Hauptthema muss Mozart wohl gekannt haben, denn er beginnt sein eigenes D-Dur Violinkonzert mit dem gleichen Motiv (KV 218).

 

Hier zu hören!
1. Allegro
2. Larghetto
3. Allegro

Satz 1 (Allegro)

Das Orchester beginnt mit einer rhythmisch zupackenden D-Dur-Eröffnungsfigur, die später auch Mozart für sein Violinkonzert KV 218 verwendet hat. Hornrufe drängen das Orchester voran, es entwickelt sich der erste Themenblock, vibrierend, singend und mit vorausdrängend mitreissendem Elan. Ein sanftes Nebenthema meldet sich dazwischen, bevor der Schlussteil nochmals vibrierend das Tutti des Orchesters abschliesst.  Entschieden setzt die Solo-Violine mit einem Dreiklang-Motiv abwärts ein und behauptet sich selbstbewusst in ihrer Führung durch den ersten Soloteil.

Das zweite Tutti des Orchesters fährt wieder mit den Anfangsmotiven dazwischen.

Das erneute Solo der Geige variiert elegant die verschiedenen thematischen Elemente durch verschiedene Tonarten. Gleichzeitig steigert die Geige ihre lyrische Virtuosität

Ein weiteres Tutti des Orchesters unterbricht die gesanglichen Figuren der brillierenden Geige.

Aber noch virtuoserer und gleichwohl lyrisch singend, setzt die Geige ihren Part fort und führt zu einer freien Kadenz der Geige.

Das Orchester beschliesst schwungvoll diesen klassisch schönen und höchst lebendigen Konzertsatz. 

Satz 2 (Larghetto)

Dunkel steigt das Streichorchester aus den Tiefen hoch und schreitet zögerlich voran. Es erreicht schliesslich ein sanft hervortretendes wiegendes Motiv und ergeht sich in lyrischem Dahinschweben. So sich Zeit nehmend bereitet es den Einsatz der Geige vor, die mit einem langen Ton aus dem Hintergrund des Orchesters hervortritt und ebenfalls wiegend ihre Arie zu singen beginnt. Myslivecek grüsst hier als beglückend machender Opernkomponist. Bis zur Kadenz gibt die Geige ihre Bühnendominanz nicht mehr auf. Kurz und mit Verneigung verabschiedet das Orchester schliesslich ihre Solistin.

 

Satz 3 (Allegro)

Mit geringsten Mitteln sofort präsent sein, das gelingt dem Orchester in leichtem Piano, dann im vollen Tutti, jetzt wieder mit Hörnerverstärkung. Ein zweites ebenfalls schlichtes Motiv folgt und leitet zum virtuosen Einsatz der Geige über, die auch gleich mit Doppelgriffen, Läufen und Virtuosität brilliert. Ein rhythmisch elegant sich wiederholendes Motiv in der Sologeige fällt auf. Dann übernimmt wieder das Orchestertutti die Führung, diesmal gleich etwas gewichtiger als am Anfang. Wieder tändelt dann die Geige zwischen Virtuosität und tänzerischer Eleganz. Das Orchester tritt nochmals auf und lädt erneut in entschlossenem Tutti zu einem letzten Soloteil ein, damit sich die Geige mit ihren Motiven nochmals präsentieren und ihre Virtuosität demonstrieren kann, alles immer im Stil einer lockeren Serenadenstimmung unter italienischer Abendsonne. Und so schliesst die Musik.


www.unbekannte-violinkonzerte.jimdofree.com

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