Pierre Rode
geboren 16. Feb. 1774 in Bordeaux
gestorben 25 Nov. 1830 in Château de Bourbon (Lot-et-Garonne)
Entstehungszeit: 1813 gedruckt
CD-Empfehlung:
Friedmann Eichhorn 2015
Pierre Rode war ein Schüler von Giovanni Batista Viotti (1755 –
1824) in Paris und gehörte zusammen mit den Geigern Pierre Baillot (1771 – 1842) und Rodolphe Kreutzer(1766 -1831) zur modernen französischen Schule des Violinspiels. Er führte das Leben eines
fahrenden Virtuosen, war aber auch pädagogisch am neu gegründeten Pariser Conservatoire tätig. Die 24 Capricen in Etüdenform sind noch heute Bestandteil einer Ausbildung zum Geiger. Insgesamt
komponierte Pierre Rode 13 Violinkonzerte, sowie Sonaten, Quartette und beliebte Airs variés. 1812 spielte er mit Erzherzog Rudolf zusammen die Uraufführung der Violinsonate op. 96 von Ludwig van
Beethoven. Um 1813 wurde sein 11. Violinkonzert D-Dur gedruckt, das nach dem Urteil des Musikhistorikers Boris Schwarz zu den besten seiner Violinkonzerte zu zählen ist. Auch scheint Rode in
seiner Konzertform von den Theorien des in Paris wirkenden Anton Reicha beeinflusst zu sein. Selbst aber entwickelte er in seinen Violinkonzerten eine omnipräsente demonstrative Virtuosität des
Geigenspiels. Priscille Lachat-Sarrete charakterisiert Rodes Soloabschnitte folgendermassen: "Die virtuosen Abschnitte der Ecksätze sind zahlreich und durchdringen das gesamte Werk. Die
Virtuosität ist überschwänglich und soll beeindrucken. Sie zeichnet sich durch Melodiebögen und die verwendeten Bogenstriche aus und stützt sich auf lange Passagen rhythmischer Stabilität, oft
Sechzehntelnoten oder seltener Achtel- oder Sechzehnteltriolen. Es gibt keine Montonie aufgrund der ständig erneuerten Abfolge von verschiedenen Bogenstrichen und Artikulationen. In jeder
virtuosen Passage werden die Formeln nach und nach weiterentwickelt: Manchmal wird die gleiche Formel zweimal in der gleichen, unterschiedlichen Stufe wiederholt, wenn die Harmonie es erfordert,
aber das Hauptmerkmal der Passagen in Rodes Konzerten, wie auch allgemein in den Konzerten der französischen Schule, ist die allmähliche Veränderung der Formeln, die eine eigene Dynamik
verleiht." In den Mittelsätzen folgt die Virtuosität mehr der nicht-ausgeschriebenen Tradition der barocken Ornamentation. Wobei jede Geigensaite ihr spezielles Timbre ausspielt. Auch die
Ecksätze sind wegen des Geigenklanges in moderatem Tempo zu spielen. Auch das Orchester steht ganz im Dienst der Virtuosität des Solisten und begleitet in den Soloabschnitten ohne zu
Dialogisieren oder gar zu Rivalisieren. Das Orchester hat der vor allem durch die Virtuosität vermittelten Expressivität Raum zu geben und sie in Szene zu setzen. Virtuosität ist das extreme
Aussen einer tiefen Innerlichkeit.
Hier zu hören:
Hörbegleiter:
«Rossinihaft» beginnt das Orchester-Tutti mit einem in die Höhe strebenden Thema und bereitet dem Virtuosen einen breiten farbigen Teppich vor. Ein zweites Thema mit dramatischen 16tel-Vorschlägen folgt auf rhythmisch hüpfenden Bässen. Nochmals erscheint das rossinihafte Hauptthema im Tutti-Orchester. Dramatisch setzt dann die Geige mit weiten Sprüngen und mit einem melodiös-sanften Thema in Doppelgriffen ein. Es folgen wilde Figuren und Läufe auf der Geige. Virtuosität wird zentrales Ausdrucksmittel eines leidenschaftlichen Innen. Nach kurzem Orchesterzwischen-spiel übernimmt die Geige das Hauptthema auf der G-Seite, sopra una corda, und verwandelt es in virtuose Läufe, das Thema gleichsam auflösend. Aber immer mehr beginnt die Geige in hoher Lage zu singen, alles wirkt trotz aller virtuosen Passagen leicht und melodiös, das Thema präsentiert sich erneut mehrmals in höchsten Lagen und die Geige spielt mit ihm im Auf und Ab virtuoser Figuren. Dann ein Ruhepunkt, und die Geige bringt das Thema wieder in seiner ursprünglichen Schlichtheit. Neue Virtuosität lebt sich aus. Dann fährt ein Orchestertutti heftig und entschieden dazwischen, führt in belebter Klangfülle zu einem erneuten Auftritt der Geige mit ihrem dramatisch in grossen Sprüngen auffahrenden Eintrittsthema. Nach erneuten Figurationen folgt dann im Orchester eine Art Reprise des «rossinihaften» Themas, bald erneut übernommen von der Geige. Auch im weiteren Verlauf dieses Reprisenteils wirkt Rodes Virtuosität nirgends bemühend, auch die rasenden Passagen fliessen leicht dahin, verwandeln sich immer mal wieder in gesangliche Abschnitte und wirken auch in kadenzartigen Teilen ausgewogen. Formal folgt Rode in diesem Satz seinen eigenen Gesetzen und ist nicht streng mit dem Sonatensatzschema zu erklären. Nochmals taucht das Hauptthema gesanglich in der Geige auf, bevor das Konzert mit einer Solo-Kadenz und dem abschiessenden Orchestertutti endet.
Viel kürzer, aber bereits romantisch kommt der mittlere Satz daher, eine Art Zwischenspiel. Mit einem dreimaligen Sostenuto-Ruf bereitet das Orchester den Einsatz der Geige vor. Und dann wird man von einer einmalig schönen G-Dur-Gesangsmelodie der Geige zärtlich mitgenommen. Arienhaft singt sich die Geige aus und wiederholt in gesteigerter Sonorität diese Melodie auf der tiefen G-Saite, bevor sie nochmals überleitet zu einem dritten zauberhaften Erscheinen dieser schönen warmen Melodie. Dann führen die Schlusstakte dieses verklingenden Gesangs direkt attacca ins Rondo über.
Ein keckes Thema in d-moll eröffnet diesen konzertanten Rundtanz in der Geige. Das Orchester stimmt sofort mit ein und wechselt mit der Geige ab, bis sich dann die Geige ihr Recht auf brillante Selbstdarstellung nimmt und im Hin und Her mit dem Orchester zeigt, was sie draufhat. Brillant führt die Geige zu einem B-Teil des Rondos, ein kurzer D-Dur Höhepunkt, bis das neue, aber dem Rondo ähnelnde Thema dann in den verschiedenartigen Figurationen der Geige durch unterschiedliche Tonarten geführt wird. Im grossen Bogen führt die Geige wieder zum d-Moll Rondothema zurück. Darauf schliesst sich ein neuer Teil in B-Dur an, bis wieder das Rondothema seine Stimme erhebt und fast etwas Besinnlichkeit aufkommen lässt. Dann aber ist der Virtuosität keine Grenze mehr gesetzt, in befreitem D-Dur geht es auf einen brillanten Konzertschluss zu.
„Sympathischerweise will Rode keine ‘Schwierigkeitsrekorde’ aufstellen … Rodes Technikstil ist ehrlich und stets musikalisch gedacht … Rodes Konzerte bieten dem Geiger exzellente brillante und melodische Ausdrucksmöglich-keiten. Bei allen Schwierigkeiten liegen sie wunderbar geigerisch und laden zu ‘kreativer Virtuosität’ ein.“ So schreibt Friedemann Eichhorn in seinem der CD-Aufnahme beigegebenen Booklet-Text „Zur Geigentechnik Rodes Violinkonzerten“.