Giovanni Battista Viotti: Violinkonzert Nr. 16 e-moll

Beginn des ersten Satzes (Solostimme)
Beginn des ersten Satzes (Solostimme)

Giovanni Battista Viotti,

geboren am 1755 in Turin

gestorben am 1824

 

Entstanden: um 1785
Herausgegeben:
Paris 1789/90

 

CD-Empfehlungen:

Andreas Röhn 1971 Mozart-Fassung

Franco Mezzena 1996

Guido Rimonda 2020 Mozart-Fassung


Viotti’s bekanntestes Violinkonzert ist das von Brahms sehr gelobte Violinkonzert Nr. 22 in a-moll. Aber auch dieses Konzert ist unterdessen aus den Konzertsälen verschwunden, wie alle anderen Werke von Viotti, darunter 29 Violinkonzerte. Dabei war Viotti ein innovativer Geiger, der bei Gaetano Pugnani in Turin studiert hatte und dort als Geiger 1775 in die königliche Kapelle eintrat. Pugnani nahm Viotti 1780 auf eine Tournee durch Europa mit. In Paris, dem damaligen geigerischen Zentrum Europashatte er 1782 (im bekannten Concert Spirituel) einen grossen Auftritt mit so viel Erfolg, dass er von da an in Paris blieb und in den adligen Kreisen viele Auftrittsmöglichkeiten bekam, unter anderem auch bei der Königin Marie-Antoinette. 1792 musste er in der Folge der Revolution nach London fliehen, wo er sich dann aus pragmatischen Gründen vor allem dem Weinhandel widmete. Seine Popularität, die er sich als Geiger mit seinem singenden Ton erworben hatte, nahm nach und nach ab, er starb 1824 verarmt in London. Für die Entwicklung der Geigenkonzerte aber war er von grosser Bedeutung, speziell für die französische Geigerschule. Seine Violinkonzerte waren Modelle für spätere Geiger-Komponisten wie Pierre Rode, Rodolphe Kreutzer und Pierre Baillot. Paganini hatte Konzerte von Viotti in seinem Repertoire und schon früher schätzte Mozart den damals bekannten Instrumentalkomponisten Viotti und schrieb wahrscheinlich 1790 (für welchen Anlass ist unbekannt) Pauken- und Trompetenstimmen für den 1. Und 3. Satz des 16. Violinkonzertes e-moll (KV 470a) von Viotti. Den zweiten Satz liess er unverändert.

 

Stellen wir deshalb in unserer Hörhilfe dieses von Mozart geschätzte Konzert Nr. 16 in e-moll vor, das Viotti Mitte der 1780er Jahre komponierte und in Paris mitten in den Wirren der französischen Revolution 1789/90 im Druck veröffentlicht hatte. Es steht, etwas ungewohnt für klassische Violinkonzerte, in einer Molltonart, e-moll, was aber für Viotti nicht untypisch ist, sind doch verschiedene seiner Violinkonzerte in Moll komponiert.

Hier zu hören:

1. Satz

2. Satz

3. Satz

 

Hörbegleiter:

Satz 1 (Adagio non troppo – Allegro)

Das Violinkonzert wirbt mit einer gewichtigen Einleitung in E-moll um Aufmerksamkeit, wie in einer Symphonie von Joseph Haydn. Dunkles e-Moll, die Hörner pochen, schicksalhafte Vorahnungen kündend. Danach aber wechselt das Orchester in ein fliessendes Allegro hinüber und macht ein insistierendes Drei-Ton Motiv (mit drei-8teln Auftakt und mit trillernden Vorschlägen) zum Hauptthema des Satzes, das durch Seufzer-Melodien ergänzt wird. Ein ständiges Drängen des drei-8tel- Auftakt-Motivs führt schliesslich zu chromatischen Abwärtsbewegungen des Orchesters und bringt nochmals das Hauptthema mit dem Dreiton-Motiv und den ausgleichenden Melodieseufzern. Die Geige setzt in höchster Tonlage mit dem E-moll Einleitungsthema ein, ausdrucksstark, aber auch schneidend und schmerzend. Abgelöst werden diese extremen Töne durch die Melodienseufzer in der Sologeige und die anschliessenden Läufe durch die eher mittleren, vollklingenden Lagen der Geige. Mit ihrem zweiten Auftritt führt die Geige als Nebenthema ein strahlendes G-Dur-Dreiklang-Thema ein, das in schmeichelnde Melodien ausklingt. Dann wieder virtuose Läufe durch alle Lagen der Geige, bis sich das Orchester einmischt, wieder pochend mahnend und kurz ermattend. Die Geige antwortet, neu, energisch, mit einer Abwandlung (einer Art Durchführung?) des G-Dur-Themas, zuerst in hoher Lage, dann nochmals in Mittellage. Virtuose Geigenläufe, das insistierende Motiv des Hauptthemas und Doppelgriff-Figuren führen schliesslich zurück zur dunklen Orchestereinleitung des Anfangs, wieder das Pochen der Hörner, mahnend auf eine drohende Zukunft hinweisend. Die Geige reagiert mit dem drängend insistierenden Drei-Ton-Motiv, lässt dann nochmals das Nebenthema aufklingen, diesmal in E-Dur, und führt den gehaltvollen, auch zeitlich lang dauernden Satz zu einem zuversichtlichen Schluss des Satzes.

 

Mozarts Bearbeitung mit Pauken und Trompeten im Orchester gibt dem gewichtigen Satz noch zusätzliche symphonische Tiefe, als spürte auch Mozart die ungewisse Zukunft, die jederzeit wieder auf uns zukommen kann. 

Satz 2 (Adagio)

 

Besinnlich und zuversichtlich geht das Konzert im zweiten Satz weiter. Sanfte E-Dur-Klänge in Oboen und Hörnern, von den Streichern untermalt, bereiten der Geige einen Klangteppich aus. Mit einem wehmütigen Seufzer-Thema in mehrfacher Ausfaltung beginnt die Geige zu singen, wiederholt ihr Singen in anderer Tonlage und mündet in eine ruhige Kadenz ein, kurze 4 Minuten Besinnung!

Satz 3 (Rondo Allegro)

Das Orchester startet mit einem markant stockenden Rondothema in e-Moll, zwischen Spielwitz und Melancholie changierend, wiederholt das Thema nochmals und bereitet rhythmisch den Einsatz der Geige vor. Diese erhebt sich mit solistischem Aufschwung über eineinhalb Oktaven hoch und stimmt dann in den stockenden Rhythmus des Orchesterthemas ein, wiederholt diesen Auftritt und führt den stockenden Rhythmus fantasievoll bis zur Ermattung weiter. Dann führt die Geige ein schwungvolles G-Dur Nebenthema ein, das in wohltuende gebundene 16tel Läufe ohne diesen stockenden Rhythmus des Rondothemas einmündet und melodiöse Momente hervorzaubert. Nach einem Orchesterzwischenspiel kommt der stockende Rhythmus des Rondothemas wieder, von der Sologeige nach einem kurzen Zwischenspiel wieder eingefügt. Ein Maggiore-Zwischenteil schliesst sich an, mit einem neuen einschmeichelnden Geigenthema, jetzt in E-Dur. Nach anschliessenden virtuosen Geigenpassagen folgt ein Abschnitt mit einer an die Seufzerthemen der übrigen Sätze erinnernden Melodie. Schmerzliche Passagen, dann führt die Geige «ad libitum» wieder zum stockenden Rondothema zurück. Auch das schwungvoll über eineinhalb Oktaven emporsteigende Thema kommt in der Geige nochmals wieder und löst sich in virtuose 16tel Passagen der Geige auf, die dem Ende in e-Moll entgegenführen. Auch das Orchester beharrt auf e-Moll, den Satz beschliessend. Der ganze Satz erinnert an die Wehmut der grossen g-Moll-Sinfonie Mozarts, die in der gleichen Zeit von Mozarts Überarbeitung dieses 16. Konzerts von Viotti entstanden sein könnte, auch wenn man die beiden Werke natürlich nicht miteinander auf gleiche Ebene stellen kann.


www.unbekannte-violinkonzerte.jimdofree.com

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