Joseph Joachim Raff
geboren 27. Mai 1822 in Lachen (Schweiz)
gestorben 24. Juni 1882) in Weimar
Vollständiger Titel:
La fée d'amour (Die Liebesfee) , morceau caractéristique de concert pour un Violon principal et Orchestre ou Piano, dédié à son ami Edmond Singer, op. 67 (1854)
Uraufführung:
20. April 1855 durch Edmond Singer in Weimar
CD-Aufnahme:
Tobias Ringborg 2007
Tianwa Yang 2010 (Version mit Klavierbegleitung)
Das Konzertstück, das der Geigenvirtuose Pablo de Sarasate zu seinen Lebzeiten am meisten gespielt und geliebt hatte, sei La fée d’amour von Joseph Joachim Raff gewesen. Er spielte es sowohl mit Klavierbegleitung wie auch mit Orchester. So unbekannt dieses damals erfolgreiche Konzertstück unterdessen geworden ist, so unbekannt ist auch dessen Komponist bei vielen Konzertbesuchern geworden. Gemäss einer zeitgenössischen englischen Musikkritik gehörte er aber damals zu den drei berühmtesten deutschen Komponisten seiner Zeit: Joachim Raff war – für uns erstaunlich - der Dritterwähnte neben Wagner und Brahms! Heute wird seine Musik kaum mehr gespielt, obwohl er ein gewaltiges Werk hinterlassen hat. Neben Brahms vier Sinfonien beeindruckt Raff mit der grossen Zahl von 11 romantischen Sinfonien. Zudem hat er noch zwei weitere Violinkonzerte geschrieben. In Liszt-Biografien taucht Raff, geboren und aufgewachsen in Lachen in der Schweiz, noch als dessen zeitweiliger Sekretär in Weimar auf. Gerade das hier empfohlene Konzertstück La fée d’amour erhielt von Liszt viel Lob. Liszt meinte, Raff könne sich nach einem solchen Werk lange auf seinen Lorbeeren ausruhen. Das Werk wurde denn auch von seinem Widmungsträger Edmond Singer, dem Konzertmeister von Liszts Weimarer Orchesters, immer wieder aufgeführt. Und – wie erwähnt – spielte auch Pablo de Sarasate es sehr gerne. Klar, das Thema ist unsterblich, es geht um die Liebe, die alle Liebenden und Konzertstücke überlebt. Raff schrieb das Stück zu seiner Verlobung mit Doris Genast. Es sei bei dieser Komposition um «das innere Erleben seiner Verlobung" gegangen, meinte später seine Tochter.
Ich kann dieses bezaubernde, aus innerem Liebeserleben stammende, formal originelle Violinkonzert dieses damals 32jährigen, am Anfang seiner Laufbahn stehenden Musikers nur empfehlen. Gerne würde ich es in einem Konzert einmal live erleben.
Hör-Begleiter:
Über einem dunklen Basston tauchen hüpfende, lockere Holzbläsermotive auf, wiederholen sich und bereiten den Einsatz der Geige und deren A-moll-Melodie vor, lassen aber mit dem insistierenden Bläsermotiv nicht locker, sodass die Geige ihre werbende Melodie behaupten muss. Ein Orchesterzwischenspiel unterbricht die feenhafte Stimmung und bringt ein rhythmisch kontrastierendes Thema, das die Geige in einer grossen Bogenmelodie beantwortet. Die Geige behauptet ihre melodische Führung und übernimmt den Kontrast-Rhythmus, bis sich die insistierenden feenhaften Bläsermotive des Anfangs langsam wieder einmischen und die Geige zur Reprise ihrer A-moll-Melodie nötigen, die in einen virtuosen Schlusslauf der Geige mündet. Dieser leitet zu einem neuen Unterabschnitt über, der von 16tel-Passagen der Geige geprägt ist, während das Orchester vorerst mit einem seltsam unterlegten Schleifmotiv abwärts präsent ist, dann aber langsam an das Bläsermotiv zurück erinnert. Eine kurze Schlusskadenz der Geige verabschiedet sich aus dieser feinen Liebes- und Feenwelt.
Es folgt attacca ein schwärmerischer Mittelteil; aus dem flirtenden Liebeszauber des ersten Satzes wird jetzt ernst. Die Geige stimmt einen weit ausholenden, von einer ruhigen Begleitung des Orchesters untermalten romantischen Liebesgesang an, den das Orchester - sich anschliessend - übernimmt. Ununterbrochen und zunehmend schwärmerischer singt die Geige, solange bis sich in den Bläsern wieder ein seltsam pochendes Motiv (man erinnert sich an den ersten Satz!) meldet, das von der Geige aber mit ihrer Melodie, jetzt in vollen Oktaven gesungen, wieder zurückgedrängt werden kann. Sanft klingt die romantische Stimmung aus.
Plötzlich übernehmen wieder die Motive aus dem ersten Teil die Regie, die feenhafte Stimmung ist sofort wieder präsent. Die Geige bietet vorerst noch Einhalt, aber das Orchester übernimmt, man erinnert sich an Mendelssohns Sommernachtstraum, die Geige setzt wieder, aber etwas verzögerter als im ersten Teil, mit ihrer werbenden A-moll-Melodie ein. Zauberhaft und zunehmend auch etwas gespenstischer wirbeln die bekannten Motive des ersten Teils durcheinander. Schliesslich endet dieser Abschnitt in einen Schlusslauf der Geige. Ein kurzes Innehalten, aber dann wirbeln Geige und Orchester ihre Themen fantasievoll, mit Schwung und teilweise etwas unheimlich erneut durcheinander. Erst eine lange Kadenz der Geige führt aus diesem Zauberwald heraus. Das bedeutet virtuose Arbeit für das Geigenspiel, das sein ganzes Können aufbieten muss und schliesslich melodiös überleitet in einen schwungvollen Schlusszauber, bis die Liebesfee zart im hellen Licht entschwindet.