Ernst John Moeran
geboren 31. Dez. 1894 in Heston bei London
gestorben 1. Dez. 1950 in Kenmare (Irland)
Entstehungszeit: 1937-1942
Uraufführung: 09.07. 1942 durch
Arthur Catterall
CD-Empfehlung: Aufnahmen mit Alfredo Campoli (1954), John Georgiadis (1976) ,Lydia Mordkovitch (1987/89), Tasmin Little (2013)
Das eine ist Moerans tragisches Leben, das andere die von irischer Volksmusik inspirierte spätromantische Schönheit seiner Musik. Fast unvorstellbar, wie das zusammenging, oder eben auch eine Botschaft ans Menschsein: wie ein Mensch Spannungen seines Schicksals aushält.
Das tragische Leben: geboren 1894 Spring Grove Vicarage, Heston, Middlesex, sein Vater war ein anglo-irischer Kleriker, seine Mutter stammte von Norfolk. Im Alter von 22 Jahren erlitt Moeran während des 1. Weltkrieges in Frankreich eine Kriegsverletzung am Kopf. Nach der Rückkehr lebenslange Nachwirkungen der Kopfverletzung, die Kriegserlebnisse wirken nach. Verzweiflung, Alkohol-Orgien, wildes Leben. Eine Erbschaft seiner Mutter ermöglichte ein Leben ohne Lohnarbeit, Moeran begann zu komponieren, erforschte und sammelte irische Volksmusik. Nach längerer Zeit des Schweigens begann er nach einem Unfall 1930 wieder ernsthaft zu komponieren. Die Symphonie g-Moll, das Violinkonzert und ein Cellokonzert gehören zu seinen Hauptwerken. 1945 heiratete er nach längerer Bekanntschaft die Cellistin Kathleen Peers Coetmore, für die er seine letzten Werke, ein Cello-Konzert und eine Cello-Sonate schrieb. Die Ehe ging in Brüche, immer wieder Alkohol-Missbrauch. Erste Zeichen einer mentalen Erkrankung verhinderten die Vollendung einer zweiten Sinfonie. Auf einem Spaziergang dem Meer entlang erlitt er im Alter von 56 Jahren eine Hirnblutung, fiel ins Wasser und starb.
Im Kontrast zu diesem tragischen Leben die Schönheit seiner Musik: Sein spätromantischer Musikstil ist geprägt von seiner Liebe zu Irland und dessen Volksmusik, und beeinflusst von seinem Lehrer John Ireland, von Frederick Delius und Ralph Vaughan Williams sowie von seinem jüngeren Zeitgenossen William Walton. Obwohl für seine Zeit konservativ, ist seine Musik doch voll Leidenschaft, manchmal dunkel, aber letztlich voller Sehnsucht nach Ruhe und seelischer Weite, sodass er sich auf Wanderungen durch seine Landschaften auch komponierend am kreativsten fühlte. Als Anleitung zum genaueren und kompetenten Hören empfehlen sich die folgenden Zeilen aus der CD-Beilage von Tasmin Little’s Aufnahme, verfasst von Anthony Burton, übersetzt von Bernd Müller:
Hier zu hören
“Er beginnt mit einem Orchesterthema, das die gewundene Melodie im Stile Elgars mit gleitenden Harmonien verbindet, die an Delius erinnern. Es führt den Solisten ein, der eine aufsteigende, aus drei Noten bestehende tonleiterartige Figur zu einer langen rhapsodischen Meditation erweitert. Ein «resolutes» Motiv in Doppelgriffen und eine virtuose Solopassage mit der Bezeichnung «quasi Cadenza» leiten zum breit angelegten Seitenthema über, belebt durch «Scotch snap»-Rhythmen (kurz-lang), das von der Sologeige im tieferen Register vorgestellt wird. Der kurze Mittelabschnitt setzt mit Flöten und Harfe in gedämpftem Jig-Takt ein und findet seinen Höhepunkt mit dem «resoluten» Motiv in einem ausschreitenden Orchesterkanon. Was folgt ist eine Kombination von freier Reprise und Durchführung: Eine Variante der einleitenden Meditation des Solisten beginnt über einem feierlichen Posaunenakkord mit Paukenwirbel. Das Hauptthema des Orchesters kehrt in unterschiedlicher Gestalt wieder; das Seitenthema wird in einer weiteren Solopassage «quasi Cadenza» angedeutet und von der Klarinette mit dem Solisten fortgesetzt, und das Eröffnungsthema kehrt ein weiteres Mal zurück, wenn der Satz zu einem ruhigen Schluss kommt.» (Anthony Burton)
“Der zweite Satz ist ein Scherzo in Rondo-Form, das laut Edwin Evans «den Geist der sommerlichen Jahrmärkte von Kerry und insbesondere der berühmten Puck’s Fair in Killorglin zum Ausdruck bringt»; er beschwört das fröhliche Treiben der Jahrmärkte nicht nur durch volkstümliche Melodien herauf, sondern auch durch das Abwechseln und Überlagern verschiedener Metren. Eine Introduktion in Triolen, die an das Stimmen von Fiedeln gemahnt, geht dem Rondo-Hauptthema voraus, das mit einem unvermittelten Oktavenabsturz beginnt und sich in kecken punktierten Rhythmen fortsetzt. Die erste Seitenepisode setzt in glatten Sexten mit Doppelgriffen ein, die zweite weist tänzerische Triolen auf, über die der Solist eine sangliche Melodie projiziert, die später vom Orchester aufgegriffen wird; die dritte steht im beschwingten Jig-Takt. Jede dieser Episoden geht in ein Wiederauftreten des Rondothemas über, meist etwa in seiner ursprünglichen Form, doch nach der zweiten Episode auf der Trompete in einen Dreiertakt verwandelt. Eine weitere Durchführungsepisode lässt die glatte Melodie der ersten Episode wiederkehren und danach die Melodie der zweiten anfangs wiederum in einer Passage «quasi Cadenza», dann vor dem brillanten Schluss zu einem «burlesken Walzer» umgearbeitet.» (Anthony Burton)
«Der Schluss-Satz ist durchgehend langsam gehalten… Geoffrey Self beschrieb ihn in seiner Studie über Moerans Musik als «höchst rhapsodische Kontemplation und Verdrehung von Motiven aus dem ersten Satz, aufgelöst in einen Epilog von wahrer Schönheit und Klarheit». Die einleitenden Gesten des ersten Satzes werden zur Grundlage der ersten Motive des letzten, wenn auf ein leises Streicherthema eine Solopassage folgt, die mit einer ansteigenden Skala aus drei Noten einsetzt. Das «resolute» Motiv in Doppelgriffen aus dem Kopfsatz hat hier ebenfalls sein Gegenstück. Eine Melodie im Englischhorn, wiederum mit einer ansteigenden Skala aus drei Noten beginnend, leitet eine ansprechend expressive Episode mit leidenschaftlichem Höhepunkt ein. Die Streicher erinnern an ihre Eröffnung des Kopfsatzes, ehe die Coda beginnt, in der murmelnde Streicher Anklänge an Motive aus vorhergehenden Teilen des Satzes begleiten, wobei die ansteigende Phrase aus drei Noten nun in ein sehnsuchtsvolles Hornsignal verwandelt wird.» (Anthony Burton)